Schmerzstörungen, Somatische Belastungsstörungen

Kennen Sie Herzstechen, Schwindel oder kalte Füsse?

Bei somatoformen Störungen handelt es sich um verschiedene Krankheitsbilder mit teils ausgeprägter körperlicher Symptomatik, die bei den Betreffenden einen hohen Leidensdruck verursachen kann.

Die verschiedenen somatoformen Störungen (z. B. Somatisierungsstörung, autonome somatoforme Störung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung) haben gemeinsam, dass für die körperliche Symptomatik keine eindeutigen medizinischen bzw. „körperlichen“ Ursachen gefunden werden können.

Allerdings sind Körper und Geist untrennbar miteinander verbunden – der Volksmund gibt dies schon seit Jahrhunderten in Redewendungen wie z. B. „Ein gebrochenes Herz haben“, „Schiss haben“, „kalte Füße bekommen“, „einen dicken Hals bekommen“ wieder.

Weil sie so viel greifbarer sind und von den Betreffenden häufig eher wahrgenommen oder berichtet werden, finden körperliche Symptome von Ärzten oft deutlich mehr Beachtung in der Behandlung.

Dahinterstehende psychische Beschwerden wie beispielsweise unverarbeitete Trauer, verdrängte Ängste oder abgespaltene Wutgefühle können übersehen und in ihrer Wichtigkeit für eine kurative Therapie vernachlässigt werden.

Oft beginnen die Beschwerden bei einer somatoformen Störung für die Betreffenden tatsächlich mit einem organischen Befund. Eine Person, die eine „anhaltende somatoforme Schmerzstörung“ entwickelt, erlebt mindestens zu Beginn der Erkrankung tatsächlich lediglich Schmerzen, beispielsweise auf der Haut an irgendeiner Körperstelle. Eine andere Person mit einer „Somatisierungsstörung“ erlebt z. B. häufig auftretende Durchfälle. Damit zusammenhängende Gefühle, die wiederum mit relevanten krisenhaften Lebenssituationen in der Gegenwart oder der Vergangenheit zusammenhängen, werden zunächst überhaupt nicht wahrgenommen. Diese werden zumeist erst im weiteren Behandlungsverlauf Gegenstand der psychosomatischen Behandlung sein.

In der Psychosomatischen Privatklinik Bad Grönenbach arbeiten wir mit den Betreffenden psychotherapeutisch daran, Verbindungen zwischen dem situativem Erleben, den zugehörigen Gefühlen und Bedürfnissen sowie der körperlicher Symptomatik herzustellen. Damit wollen wir unseren Patienten ermöglichen, einen konstruktiven Umgang mit individuell schwierigen Umständen zu finden. Dabei wird der körperliche Teil der Erkrankung keinesfalls aus dem Auge verloren: eine Behandlung der beeinträchtigenden Symptomatik gehört selbstverständlich zu unserem therapeutischen Standardrepertoire.

Körper und Geist sind untrennbar miteinander verbunden. Aus der Hirnforschung weiß man, dass zum Beispiel soziale Ausgrenzung genauso zu einer Aktivierung der Schmerzareale im Gehirn führt wie es bei körperlichen Schmerzen der Fall ist. Dieser emotionale Schmerz wird auch körperlich gespürt, was vom evolutionären Standpunkt aus gesehen durchaus Sinn macht. Da das Überleben des Menschen in der Urzeit durch soziale Isolation genauso bedroht war wie durch eine schwere körperliche Verletzung, ist es verständlich, dass sowohl bei körperlicher als auch bei sozialer Beeinträchtigung ein Warnsystem in Form von Schmerzen aktiviert wird. Wie sehr unser Körper und unser Geist miteinander verbunden sind, zeigt sich darin, wie wir unsere Gefühle wahrnehmen. Man kann sagen, dass Gefühle interpretierte Körperempfindungen sind.

Unsere Gefühle nehmen wir im Körper wahr. Auch wenn sogenannte Schmerzareale im Gehirn beteiligt sind, spüren wir Gefühle und Schmerzen nicht mit dem Gehirn, sondern mit unserem Körper (vor allen Dingen im Brust- und Halsbereich sowie im Oberbauch). Teilweise spüren wir auch einfach die Reaktionen, mit denen sich der Körper auf die jeweilige Herausforderung anpasst. Zum Beispiel kann Angst durch hohen Blutdruck und einen erhöhten Muskeltonus zu spürbaren körperlichen Veränderungen wie beispielsweise Herzklopfen, Druck im Kopf etc. führen. Unter normalen Bedingungen sollen diese Mechanismen eine sofortige Fluchtreaktion ermöglichen.

Ist die emotionale Wahrnehmungsfähigkeit aufgrund der Schwere von Schicksalsschlägen, infolge einer nachteiligen körperlichen oder seelischen Entwicklungsgeschichte blockiert oder nur eingeschränkt funktionsfähig, kann es passieren, dass sich eigentlich funktionale, emotionale Verarbeitungsprozesse auf die körperliche Ebene verschieben. Dann sind nur noch die körperlichen Aspekte dieser Prozesse für die Betroffenen wahrnehmbar und werden zur symptomatischen Belastung. Nur wenn ein Bezug zwischen körperlicher Empfindung und emotionaler Bedeutung besteht, können emotionale Verarbeitungsprozesse gelingen. Solange die emotionale Verarbeitung nicht in ausreichendem Maße geschehen ist, werden auch die körperlich spürbaren Komponenten der beteiligten Emotionen und damit die Krankheitssymptome der somatoformen Störung bestehen bleiben. Da diese Symptomatik sehr unangenehm sein kann, lenken Betroffene aus Sorge um ihre Gesundheit heraus ihre Aufmerksamkeit auf die Körperempfindungen. Das kann zu einer Verstärkung und auf lange Sicht zu einer Chronifizierung der körperlichen Symptomatik führen.

Es ist wichtig zu wissen, dass unser Gehirn sich verändern kann (Neuroplastizität), damit wir Menschen uns auf die jeweilige Umgebung einstellen können. Um nicht bei jeder Situation ganz von vorne anfangen zu müssen, werden Muster gebildet, die auf unbewusster Ebene ablaufen und sehr viel Zeit und Energie sparen. Man denke nur an den Unterschied zwischen den ersten Fahrversuchen mit dem Fahrrad und der entspannten Fahrradtour heute, bei der wir uns ganz nebenbei noch unterhalten können.

Sehr viele dieser Adaptionsvorgänge bzw. Muster entstehen als Antwort auf die Umgebung und die Erfordernisse der ersten Lebensjahre. Sie bilden relativ stabile Muster (oder Schemata), die uns primär das Leben erleichtern. Das heißt, in dieser speziellen Umgebung müssen wir nicht jedes Mal das Rad neu erfinden, sondern können quasi intuitiv im „Autopilot“ reagieren. Wir sparen dadurch Zeit und Energie. Gerade in schwierigen Situationen ist dies besonders hilfreich.

Nachteilig wirken sich diese automatisierten Muster allerdings aus, wenn sich die Umgebung verändert hat und sich dieses Muster unbewusst je mehr durchsetzt, desto stärker wir die Situation als bedrohlich einordnen (denn es will ja helfen, wertvolle Sekunden einzusparen). Es spielen körperliche (biologische), soziale und psychische Faktoren eine Rolle und in der Therapie einer jeden Erkrankung sind diese bio-psycho-sozialen Zusammenhänge wichtig und müssen gemeinsam betrachtet werden.

Die Behandlung von somatoformen Störungen findet in der Psychosomatischen Privatklinik Bad Grönenbach auf unterschiedlichen Ebenen des Geistes und des Körpers statt. Zum einen wird auf eine Beruhigung des Stresssystems Wert gelegt (beispielsweise durch das Erlernen und regelmäßige Anwenden von Entspannungsverfahren), was bereits zu einer Reduktion der Symptomatik führen kann. Zudem kann eine Entlastung des Stresssystems einen verbesserten Zugang zur emotionalen Wahrnehmung ermöglichen, wodurch mit der körperlichen Symptomatik zusammenhängende aktuelle und auch vergangene seelische Belastungen leichter aufzuspüren und in der psychotherapeutischen Behandlung zu bearbeiten sind. Sogenannte nonverbale Verfahren wie Kunst- und Körperpsychotherapie sind hierfür besonders hilfreich. Ebenso wichtig ist es, alte und inzwischen überholte Verhaltens- und Erlebensmuster zu erkennen und zu verändern.

Körpertherapien (wie z. B. Physiotherapie) und Sport fördern selbstwirksame Erfahrungen mit dem eigenen Körper und können ein verloren gegangenes Vertrauen stärken. Die Beschwerden verbessern sich hierdurch meistens deutlich. Da die körperlichen Symptome einer somatoformen Störung bei Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung häufig schon leicht chronifiziert sind, besteht die Möglichkeit, dass im Verlauf der Behandlung Restbeschwerden zurückbleiben. Ein Kennzeichen somatoformer Störung ist eine Fixierung auf die somatischen Faktoren der Erkrankung und die Vernachlässigung der seelischen Faktoren. Um einen entspannten Umgang mit einer möglicherweise bestehenden Restsymptomatik zu finden, unterstützen wir unsere Patienten, die Fokussierung auf die Beschwerden zu lockern, wodurch deren Wahrnehmung automatisch in den Hintergrund tritt und der Leidensdruck abnimmt. Im Falle einer chronifizierten Schmerzstörung ist es beispielsweise manchmal notwendig als ersten Schritt in der Therapie die Frage „Wie kann ich meine Schmerzen loswerden?“ durch die Frage „Wie kann ich mit meinen Schmerzen am Leben teilhaben und Freude erleben?“ zu ersetzen. Insgesamt ist hier ein multimodales Behandlungskonzept notwendig, das sich sowohl um den Körper als auch um den Geist kümmert. Dieses Konzept findet in der Psychosomatischen Privatklinik Bad Grönenbach Anwendung.